Initiator war der FoeBuD e.V.(Foerderung des Bewegten und Unbewegten Datenverkehrs)
Der FoeBuD e.V. setzt sich seit 1987 für Bürgerrechte und Datenschutz ein. Beim FoeBuD treffen unterschiedlichste Menschen zusammen, die Technik und Politik kritisch erkunden und menschenwürdig gestalten wollen. Wir wehren uns dagegen, dass unsere Demokratie „verdatet und verkauft“ wird. Wir wollen keine Gesellschaft, in der Menschen nur noch als Marketingobjekte, Manövriermasse beim Abbau des Sozialstaates oder als potentielle Terroristen behandelt werden. Wir wollen eine lebendige Demokratie.
Wirtschaft: Brita GmbH
Der BigBrotherAward in der Kategorie Wirtschaft geht an Herrn Markus Hankammer, vertretungsberechtigter Geschäftsführer der Firma Brita GmbH, für ihre kostenpflichtigen Wasserspender in Schulen, die unter dem Namen „Schoolwater“ vermarktet werden. Diese Geräte geben nur dann Wasser ab, wenn ein Kind es mit einer mit einem RFID-Funkchip verwanzten Flasche abzapft.
Damals... im Jahr 2000 kannte Deutschland noch keinen Big Brother Award,
anders wars in Österreich:
Big–Brothers Little Helper
Big–Brother–Awards erstmals in Österreich verliehen
Jörg Auf dem Hövel und Thomas Barth in Internet World 1/2000
Die Idee einer jährlichen Auszeichnungen von Personen und Institutionen, die sich um unsauberen Umgang mit Datenschutz und Privatsphäre verdient gemacht haben, stammt von Simon Davies. Der Wahlspruch des Leiters von Privacy International: "We'll name them and we'll shame them!" Nach ersten Verleihungen in den USA und England ist jetzt Österreich seinen Daten–Schmutzfinken zu Leibe gerückt. Neben Innenminister Schlögl und abhör–begeisterten EU–Parlamentariern gehörte auch Microsoft zu den glücklichen Gewinnern des Big–Brother–Awards.
Der Big Brother Award (Austria 2000)
Ausgezeichnet, die Trophäen für die Sieger: Roboter.
Wer am Nachmittag des Jahrestags des Erscheinens von Orwells "1984", am malerischen Wiener Donaukanal flanierte, konnte vor dem Szenelokal Flex die Gruppe temperamentvoller Diskutanden kaum überhören. Berge von Computerausdrucken, Briefen und Notizen auf dem Kaffeetisch vor sich hektisch durchwühlend, wurden neugierige Frager ungewohnt barsch abgewiesen. Doch Wiener Charme milderte die Reaktion: "Normalerweise sind wir viel netter, aber jetzt sind wir im Stress wegen der Preisverleihung heute abend... komm doch heute abend um neun!" Von einer Jurorin so freundlich eingeladen, wollte man die Auswahl der Award–Gekrönten dann nicht weiter stören. Zumal das Flex, das die phonstärkste Anlage Österreichs sein eigen nennt, zur Big–Brother Party mit DJ Hell "Eintritt frei" versprach. Und so ließ man die Jury in Ruhe ihres Amtes walten, die unter anderem aus Vertretern der "Österreichischen Gesellschaft für Datenschutz" und dem "Verein zur Wiederherstellung der Bürgerrechte im Informationszeitalter" bestand.
Am Abend konnte sich selbst die kleine Delegation des Groupware–Projekts Puplic Voice Lab dann beinahe nicht mehr in den überfüllten Konzertsaal hineindrängeln. In diesem amüsierte sich das Publikum und die Veranstalter mit sich selbst, denn die Preisträger glänzten allesamt durch Abwesenheit. Besonders begehrt ist diese Auszeichnung nicht: Sie zerrt jene Personen und Institutionen ans Licht der Öffentlichkeit, die sich am Grundrecht auf Datenschutz in besonders ehrloser Weise vergriffen haben.
Politisch prominentester Preisträger war Österreichs Innenminister Karl Schlögl, der mit dem "Livetime Achievement" für sein ganzes Lebenswerk belohnt wurde, in dessen Zentrum die Juroren die Überwachung der Bürger des 8–Millionen–Staates sahen. In Schlögls Amtszeit wurden Grundrechte wie Schutz von Privatsphäre und persönlichen Daten oder das Redaktionsgeheimnis wenig geachtet, dafür aber die polizeilichen Befugnisse trotz sinkender Kriminalität kräftig ausgeweitet. Wie es aus dem Innenministerium verlautete, nahm der Minister den Preis "zur Kenntnis".
Össterreich Innenminister Karl Schlögl
Nahm den Preis "zur Kenntnis": Innenminister Karl Schlögl.
Doch nicht nur Prominente, auch politische Hinterbänkler bekamen ihr Fett weg: Acht österreichische Abgeordnete im Europaparlaments erhielten den Big–Brother Award "Politik" für ihre Zustimmung zu den "Enfopol"–Abhörgesetzen (siehe IW 8/99). In der Award–Rubrik Behörden gewann das Österreichische Statistische Zentralamt mit seinem Plan, bei der Volkszählung im Jahr 2001 die erhobenen Daten mit jenen des Innenministeriums abzugleichen, um dem "gläsernen Bürger" Orwells etwas näher zu kommen. Die Preise konnten sich sehen lassen: Kleine Plastikroboter wurden –in solide Blumentöpfe einbetoniert– als "Spitzel–Oskars" stellvertretend von Treuhändern entgegen genommen, die sie den abwesenden Gewinnern tags darauf überreichen sollten.
Eine der zugespitzten Fragen des Abends lautete: "Was ist der Unterschied zwischen einem totalitären und einem autoritären Staat? –Der totalitäre Staat bespitzelt, foltert und ermordet seine Bürger –der autoritäre Staat überlässt viele dieser Tätigkeiten dem privaten Sektor." Ganz in diesem Sinne wurden auch Big–Brothers kleine Helfer aus dem Bereich der Wirtschaft mit Preisen bedacht: Die "laufende Publikation von unklaren und veralteten Wirtschafts– und Schuldnerdaten" brachten der österreichischen Schufa, dem Kreditschutzverband von 1870 den BB–Award im Bereich Business ein. Die Auszeichnung für Schnüffelei in Medien und Kommunikation gewann die Schober Direct Marketing–Agentur, die sich mit ihrer umfangreichen Datensammlung über fünf Millionen Bürger brüstet.
In der Kategorie "Peoples Choice" obsiegte die österreichische Niederlassung von Microsoft. Bill Gates guter Ruf war jedoch nicht der alleinige Anlass: Geehrt wurde der Versuch des Software–Giganten, LINUX–User durch die illegale Verwendung ihrer persönlichen Daten auszuhorchen. Im Auftrag Microsofts hatte die Unternehmensberatung "G3" von Österreich aus gegen das norwegische Urheberrechtsgesetz verstoßen. "G3" filterte bei einem norwegischen LINUXcounter systematisch die österreichischen Mailadressen heraus, ohne sich darum zu kümmern, dass auf der norwegischen Website ausdrücklich darauf hingewiesen wurde, dass die kommerzielle Nutzung ihrer Adressen verboten sei. Die LINUX–Gemeinde wurde dann flächendeckend mit Fragebögen belästigt, mittels welchen ihre Einstellungen zu und ihr Einsatz von LINUX ausgeforscht werden sollte. Gefragt wurde unter anderem, ob LINUX Know How aktiv weitergegeben wurde sowie nach Beruf, Branche und Größe des Arbeitgebers. Erst nach Protesten und Medienberichten stellte Microsoft Österreich diese Praxis schließlich ein, die man wohl als ängstlichen Versuch einer Konkurrenzbeobachtung werten muss. Unklar bleibt, ob die so gewonnene Publicity eher Microsoft oder LINUX nützen wird.
Deutsche Datenschützer haben die Big–Brother Award–Verleihung bislang verschlafen, aber im nächsten Jahr sollte der 26. Oktober im Kalender rot angestrichen werden: Die FoeBuD, der Bielefelder Verein für sozialverträgliche Technikgestaltung, will den Big–Brother Preis auch in Deutschland etablieren. An Anwärtern wird es nicht mangeln, und deutsche Computernutzer werden ihre Nominierungsvorschläge dann wohl an die www.foebud.org senden können. Computerkünstler padeluun kündigte für den Verein an, die Verleihung in Kooperation mit anderen Gruppen zu organisieren: "Wir machen das!". Thilo Weichert, Vorsitzender der Deutschen Vereinigung für Datenschutz (DVD), sagte eine Beteiligung bereits zu und auch das FIfF (Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung) sowie der Chaos Computer Club werden sich der Aktion vermutlich anschliessen.
Siehe auch
Big Brother Awards Österreich
foebud - Veranstalter der Big Brother Awards Deutschland
Jörg auf dem Hövel Homepage
Zum "realen Big Brother" &
"Big Brother"-Show-Sender RTL-Besitzer,
dem Bertelsmann-Konzern:
Der ehemals pietistische Provinzverlag Bertelsmann ist längst zu einem mächtigen globalen Medienimperium herangewachsen. Als Vorkriegsverlag für militaristische Landser-Romantika und nach Kriegsbeginn als Großlieferant von trivialer Frontliteratur für die Wehrmacht machte sich das Familienunternehmen für Goebbels Propaganda- und Entertainment-Programm unentbehrlich und eroberte erhebliche Marktanteile in der NS-Kriegswirtschaft. Kurz vor Kriegsende bei illegalen Papierschiebereien ertappt, strickten die Gütersloher aus dem daraus folgenden Verbot später ihre Legende vom christlichen Widerstandsverlag. Bertelsmann leugnete erfolgreich seine Nazi-Geschäfte, erschlich sich damit eine Verlagslizenz von den Alliierten und startete mit den Wettbewerbsvorteilen seiner unter NS-Herrschaft etablierten Strukturen und beiseite geschafften Ressourcen in die Nachkriegswirtschaft. Heute übt der Konzern besonders über seine Stiftung und die mit ihr verbundenen Organisationen (Centrum für Hochschulentwicklung, Centrum für Angewandte Politikforschung etc.) immensen politischen Einfluss aus. Von Bertelsmann bezahlte, gesponserte oder sonstwie beeinflusste Experten sitzen in Gremien der europäischen Medien-, Wirtschafts-, Sozial- und selbst der Außen- und Sicherheitspolitik. Die in diesem Band versammelten Texte beginnen ihre Medienkritik mit Eckart Spoos Warnungen vor Gefahren ökonomischer Macht im Medienbereich, insbesondere vor medialer Manipulation im Dienste der Kapitalinteressen. Diese Kritikfigur ist in der Medienwissenschaft selten geworden. Man sieht die Reflexion dieses Problems vielfach als eine "Mode der Alt-68er" (selbst dann, wenn man sich dieser Generation eigentlich zurechnen lassen müsste) und blendet die gesellschaftliche Dimension der Medien gern aus. Man macht sich vielleicht lieber die Perspektive der Verwertungsinteressen zu eigen und schielt auf Drittmittel von der Medienindustrie.
>>>>siehe auch:
Netzmedienrecht, Lobbyismus und Korruption (audio)
Bildungspolitik nach dem Geschmack der großen Konzerne
(Zum Einfluss der Bertelsmann-Stiftung auf die Liberalisierung und Privatisierung des Bildungswesens)
Elke Groß "Hintergrund.de"
Bertelsmann: Die gefährliche Macht eines Bewusstseinskonzerns