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PANOPTISMUS
InversesPanoptikum
Wilhelm Reich
Netzphilosophie
Foucault

Thomas Barth:  Das Inverse Panoptikum

Vorschlag für einen Vortrag zum Chaos Communication Congress 2012 (Hamburg)

Zur Person: Diplom-Kriminologe, Diplom-Psychologe, Medienwissenschaftler (Arbeitsgebiete: Netzkultur, Medienpolitik, Korruption)

Kurzbeschreibung:

In den Jahren 1990-1992 entwickelte ich mit den Teilnehmern von Workshops und Diskussionen dreier Chaos Congresse in Hamburg Ideen zu einem Utopiemodell für die künftige Netzkultur. Dabei kamen Hackerethik, Visionen des Cyberpunk und Theorien der Sozialphilosophie zusammen, vor allem Michel Foucault und Günther Anders. Ergebnis war der Begriff eines "Inversen Panoptikums". Wie ist dieses Modell begründet? In welchen Momenten, Ereignissen und Bewegungen der Netzkultur finden sich heute Elemente des Inversen Panoptikums?

Beschreibung:

In den Jahren 1990-1992 entwickelte ich mit den Teilnehmern von Workshops und Diskussionen dreier Chaos Congresse in Hamburg Ideen zu einem Utopiemodell für die künftige Netzkultur. Dabei kamen Hackerethik, Visionen des Cyberpunk und Theorien der Sozialphilosophie zusammen, vor allem Michel Foucault und Günther Anders. Ergebnis war der Begriff eines "Inversen Panoptikums".
Hintergrund: Ursprünglich bezeichnete "panopticon" jedoch eine spezielle Gefängnisarchitektur Jeremy Benthams, des Begründers des Utilitarismus. Benthams architektonische Erfindung besteht aus einem Rundbau, welcher durch einen Beobachtungsturm im Zentrum die nach innen hin einsehbaren Zellen der permanenten Überwachung aussetzt. Die Gefangenen des Panoptikums sehen den Wächter nicht, sind aber ständig einer potentiellen Überwachung ausgesetzt, die ein andauernd diszipliniertes Verhalten erzwingen soll. Diese Konstruktion erinnert nicht zufällig an George Orwells Dystopie vom totalen Überwachungsstaat.
Michel Foucaults 1977 präsentierte Analyse der Disziplinargesellschaft sieht im Panoptikum den Kern des utilitaristisch-demokratischen Gesellschaftsmodells und betrachtet es gleichzeitig als Metapher der bürgerlichen Gesellschaft. Wichtiger als die konkrete architektonische Umsetzung erscheint Foucault die Idee des Panoptismus, die in den verschiedensten Bereichen (Schulen, Hospitälern, Fabriken) in der einen oder anderen Form Fuß fassen konnte: Die disziplinierende Beobachtung vieler durch wenige (Schüler durch Lehrer, Arbeiter durch Vorarbeiter, Bürger durch Verwaltungsbeamte), die schon der sozialen Grundstruktur eingeschrieben ist.
Das "inverse Panoptikum" könnte man als unbewusste Reflexion des disziplinierenden Panoptikums interpretieren. Es impliziert eine Umkehr der kontrollierenden Blickrichtung und damit eine Lockerung der Zentralmacht über die Peripherie. Es spiegelt sich in der Forderung nach Datenschutz für den einzelnen Menschen, aber Transparenz für die Machteliten: "Wir fordern die maschinenlesbare Regierung" (Andy, CCC) ...statt des gläsernen Menschen.
In der aktuellen Netzkultur sind neben dem CCC auch Netzprojekte wie WikiLeaks und Arbeiten aus der Kunst wie die Konspirogramme von Lombardi Ansätze zu einem Inversen Panoptismus: Sie kehren die Blickrichtung der Macht um.

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Cyberspace, Neoliberalismus und inverser Panoptismus

Thomas Barth in TELEPOLIS  03.07.1997

Das politische Unbewußte der Cyberdemocracy

...auf Mitleid durfte man hier nicht hoffen, und es war ganz richtig, was Karl in dieser Hinsicht über Amerika gelesen hatte; nur die Glücklichen schienen hier ihr Glück zwischen den unbekümmerten Gesichtern ihrer Umgebung wahrhaft zu genießen.

Franz Kafka, Amerika

Die "Unabhängigkeitserklärung des Cyberspace" geht an der Frage der Konstituierung des Subjekts in der modernen Gesellschaft vorbei, die sich im Begriff des Panoptikums konzentriert. Ein informationstechnisch zu realisierendes "inverses Panoptikum", eine gläserne Bürokratie, wäre mit der Entwicklung einer Ethik zu verbinden, die auf die künftigen Bedürfnisse des Menschen in der Informationsgesellschaft hin zugeschnitten werden sollte.

$-Lib im Cyberspace?

John Perry Barlow verfasste im Februar 1996 als Reaktion auf Zensurbestrebungen durch den "Telecommunication Reform Act" der US-Bundesregierung eine Unabhängigkeitserklärung des Cyberspace, die heute zu den am meisten im Internet zirkulierenden Dateien gehören soll. Seine Kritiker Geert Lovink und Pit Schultz sprechen im Anti-Barlow von "plumper Rhetorik"; dies stimmt aus europäischer, nicht jedoch aus US-amerikanischer Sicht. Der Massenerfolg, den der nicht besonders einfallsreiche SF-Kinofilm "Independence Day" erzielte, zeigt, daß Barlow einen Nervenknoten des "gesunden Volksempfindens" der US-Amerikaner getroffen hat. Barlow orientierte sich am Gründungsdokument der USA, was natürlich nicht bei jedem patriotische Gefühle wecken kann. Die Barlow-Kritiker Barbrook und Cameron verweisen in ihrer Kalifornischen Ideologie zu Recht auch auf die Tradition der Sklaverei in den USA.

Kritik an Barlow soll keineswegs bedeuten, die Zensurpolitik Clintons zu billigen. Die Maßnahmen wirken ohnehin für europäische Ohren unverständlich: Warum sollten die mächtigen USA ausgerechnet durch die Verwendung des Wortes "Motherfucker" (und sechs weiterer Obszönitäten) gefährdet sein? Man könnte hier einen tief verwurzelten Ödipuskomplex vermuten, der orthodoxen Freudianern gute Geschäfte verspricht. Barlows Plädoyer für freie Meinungsäußerung weckt keine Kritik, vielmehr ist es seine totale Blindheit gegenüber sozialer Ungerechtigkeit, die nur als Naivität oder Zynismus gedeutet werden kann. Florian Rötzer weist daraufhin, daß diese Blindheit heute als Teil des sogenannten "Neoliberalismus" zur dominierende Ideologie der Marktwirtschaften zu werden droht.

Man könnte diesen Rückgriff auf traditionelle Ideen der Aufklärung vielleicht treffender als $-Lib bezeichnen, da sie Freiheit auf die Freiheit des Dollars oder seiner Besitzer reduziert. Bereits Ende der 70er Jahre wies der französische Philosoph Jean-Francois Lyotard auf eine aus der IuK-Technologie und deren Folge, der Kommerzialisierung des Wissens, abzuleitende Tendenz zur Deregulierung hin. Der Staat würde einer "Ideologie kommunikativer Transparenz" als ein Faktor des "Rauschens" erscheinen, was sich heute in der neoliberalen Forderung nach Deregulierung als Argumentation gegen staatliche Ineffizienz wiederfinden läßt. Die von Barlow vertretene "kalifornische Ideologie" einer angenommenen "virtuellen Klasse" mittlerweile gutsituierter Ex-Hippies soll sozusagen den progressiven Flügel dieser $-Lib-Ideologie darstellen. Man möchte den Staat abschaffen - bis auf genau jene Funktionen, die die eigenen Privilegien (Eigentum, Informationszugang) schützen, ihn zum Nachtwächterstaat degenerieren. Alles andere wird als "ineffizient" verdammt, da Geld dem $-Lib das Maß aller Dinge ist. Menschliches Leid interessiert nur insoweit als sich aus ihm Profit schlagen läßt (Privatisierung sozialer Dienste, vgl. Fritz Sack) oder es sich als Kostenfaktor erweist (z.B. als Kriminalität).

Die Naivität der "Kalifornischen Ideologie" zeigt sich in Barlows Zustandsbeschreibung des Cyberspace: "Wir erschaffen eine Welt, die alle betreten können ohne Bevorzugung oder Vorurteil bezüglich Rasse, Wohlstand, militärischer Macht oder Herkunft." Diese negative Aufzählung liest sich eher wie ein Who-is-who des Cyberspace, des Raumes der Weißen, der Reichen, der Militärs und (aus anderen Kreisen bestenfalls) der Wohlgeborenen. Diese Kluft zwischen elitärer Sache und völkischem Pathos reizte die Widersacher Barlows so sehr, daß andere kritische Fragen gar nicht gestellt werden konnten. Etwa die Frage, nach dem Datenschutz und die Frage, ob der jetzige Cyberspace des Internet wirklich so demokratisch und unabhängig von Tyrannei ist, wie Barlow meint. Marc Gisor bemerkt, daß viele scheinbar demokratische Prozeduren im Internet, etwa das Einrichten von Usegroups, eher einer feudalistischen Dramaturgie folgen, daß Netz-Gurus (wie z.B. Barlow), Organisationsleader und führende Techniker die Rolle lokaler Burgherren in bestimmten Regionen der Wissensgeografie einnehmen. Barlow hinterfragt nicht die Herkunft des Cyberspace und die ihm möglicherweise innewohnenden Tücken.

Subjekt und Panoptismus

Eine europäische Aufgabe bei der Diskussion des Cyberspace könnte es deshalb sein, daran zu erinnern, daß unsere westliche Kultur neben den Menschenrechten auch ein effektives System der Disziplinierung des Menschen hervorgebracht hat, dessen Kernidee der französische Philosoph Michel Foucault in der sozialen Maschine des Panoptikums lokalisierte. Eine Reflektion der Problematik sollte zunächst den Zusammenhang dieses Panoptikums mit den von Barlow vertretenen Idealen diskutieren, um sein "politisches Unbewußtes" aufzudecken sowie die daraus resultierenden Probleme aufzuzeigen.

Trifft der deutschsprachige Leser auf das Wort Panoptikum, so denkt er an ein Wachsfigurenkabinett. Ursprünglich bezeichnete "panopticon" jedoch eine spezielle Gefängnisarchitektur Jeremy Benthams, des Begründers des Utilitarismus. Benthams architektonische Erfindung besteht aus einem Rundbau, welcher durch einen Beobachtungsturm im Zentrum die nach innen hin einsehbaren Zellen der permanenten Überwachung aussetzt. Die Gefangenen des Panoptikums sehen den Wächter nicht, sind aber ständig einer potentiellen Überwachung ausgesetzt, die ein andauernd diszipliniertes Verhalten erzwingen soll. Diese Konstruktion erinnert nicht zufällig an George Orwells Dystopie vom totalen Überwachungsstaat. Der Orwellsche "Televisor" wirkt heute freilich, angesichts von Internet- und Sensortechnik, nicht weniger anachronistisch als das von Bentham empfohlene Lauschröhrensystem zum Abhören der Zellen.

Michel Foucaults 1977 präsentierte Analyse der Disziplinargesellschaft sieht im Panoptikum den Kern des utilitaristisch-demokratischen Gesellschaftsmodells und betrachtet es gleichzeitig als Metapher der bürgerlichen Gesellschaft. Wichtiger als die konkrete architektonische Umsetzung erscheint Foucault die Idee des Panoptismus, die in den verschiedensten Bereichen (Schulen, Hospitälern, Fabriken) in der einen oder anderen Form Fuß fassen konnte: Die disziplinierende Beobachtung vieler durch wenige (Schüler durch Lehrer, Arbeiter durch Vorarbeiter, Bürger durch Verwaltungsbeamte), die schon der sozialen Grundstruktur eingeschrieben ist. Bentham ging es einerseits darum, eine vollkommene Disziplinarinstitution zu entwerfen, aber andererseits auch um eine Methode, die Disziplinen vielseitig und diffus verteilt in der ganzen Gesellschaft wirken zu lassen. Die in dieser Erfindung und ihren sozialen Ausformulierungen disziplinierten Individuen bilden die Basis für die modernen Massendemokratien.

An der Wiege unseres heutigen "way of life", steht die Eroberung der Gesellschaft durch soziale Maschinen im Gefolge von Benthams Panoptikon. Diese wurden benötigt, um die Individuen so zu disziplinieren, daß sie der politischen Rechte einer modernen Demokratie würdig werden konnten - in den Augen der damaligen Elite (siehe Melossi). Das utilitaristische Menschenbild Benthams lebt bis heute weiter im homo oeconomicus der Wirtschaftswissenschaften, auf dem letztlich die $-Lib bzw. der "Neoliberalismus" basiert. Die freie, selbstorganisierende Steuerung durch das Medium Geld braucht eine zentrale Kontrollstelle, die die Strukturen aufrecht erhält, also z.B. um Falschmünzer zu verfolgen.

Foucault betrachtet den Panoptismus als allgemeines Prinzip der Konstituierung des bürgerlichen Subjekts: autonom und frei in den Grenzen, die die Zentralgewalt setzt und durch ständige Kontrolle aufrecht erhält. Er zeigt damit die unmittelbare Verknüpfung der Freiheiten mit disziplinierenden Mechanismen auf, die die Begrenzung der "Zelle der Autonomie und Freiheit", die das Subjekt bewohnt, ja, aus der es letztlich als Subjekt besteht, festlegen. Konkreter: Wenn wir als Schulkind lernen müssen stillzusitzen, als Soldat zu tun, was der vorgesetzte Offizier sagt, als Patient für real zu halten, was ein Psychiater zur gesunden Wahrnehmung erklärt, dann konstituieren wir uns damit als Subjekt. Dieses Subjekt paßt in den Raum, der durch die Grenzen der Freiheit definiert wird, d.h. durch die körperliche Unversehrtheit, das Fernmeldegeheimnis, das Recht auf Privateigentum etc. Bisher scheint ein Gleichgewicht zwischen Machtmechanismen und Subjektkonstitution zu bestehen (auch wenn es nicht zum versprochenen "größtmöglichen Glück der größtmöglichen Zahl" führt). Doch was ist, wenn sich diese Grenzen ändern? Wenn technische Möglichkeiten "dem Subjekt" neue Möglichkeitsräume eröffnen, also eigentlich das Subjekt erweitern? Oder wenn andererseits der Zentralgewalt neue Möglichkeiten der Überwachung und Disziplinierung zuwachsen - also eigentlich das Subjekt einer Neukonstituierung unterworfen wird? Das Gleichgewicht muß neu austariert werden, und das ist eine politische Fragestellung.

Progressive oder Liberale werden die Möglichkeitsräume begeistert begrüßen und Überwachung ablehnen; konservative Gemüter werden sich eher auf die Mißbrauchsmöglichkeiten konzentrieren, vor Kriminalität und Anarchie warnen und verstärkte Kontrollmechanismen fordern. Genau dies passiert derzeit in Bezug auf das Internet. In Barlows Erklärung wird der (unbewußte) Wunsch deutlich, den überwachenden Blick des Panoptikums umzukehren: Die Insassen sind es leid, in ihren Zellen dem Blick des unsichtbaren Verwalters preisgegeben zu sein. Sie fordern eine Invertierung jener Kontrolle, die sich durch technologische Entwicklungen gerade zu potenzieren droht. Barlow übersieht jedoch, daß die von diesem Mechanismus abhängige Verteilung von Macht und Wohlstand sich mit dieser Invertierung des Blickes ebenfalls verschieben könnte. Er bedenkt weder die positiven Folgen, die dies für die soziale Gerechtigkeit haben könnte (wenn etwa die gläsernen Bankkonten das Ausmaß ungerechter Steuerverteilung sichtbar machen würden), noch bedenkt er die Gegenwehr, die unter diesem Aspekt sicher viel heftiger zu erwarten ist als es der vorgeschobene, banale Zwist um die Zensur der sieben "schlimmen Worte" vermuten ließe.

"Inverses Panoptikum" versus "Super-Panoptikum"

Der kalifornische Historiker Mark Poster kam 1995 bei der Entwicklung der Theorie von einem digitalen Zweiten Medienzeitalter zu dem Schluß, Datenbanken und die in ihnen angehäuften Informationen über den Bürger seien der Grundstock eines neuen "Super-Panoptikums". Fest steht, daß Datenbanken viele Interessenten finden, und wer wäre nicht skeptisch, wenn Vertreter der Firma Siemens 1996 beim Bundesamt für Sicherheit in der Informationstechnik verkünden, die technischen Mittel für die digitale Sicherheit im 21. Jahrhundert wären vorhanden? (Kruse) Doch sowohl die liberale Kritik, Datenbanken seien eine Gefahr für die bürgerliche Freiheit, als auch die soziale Kritik, sie würden die Macht zugunsten der Besitzenden verschieben, greifen zu kurz, wie Poster bemerkt. In einer neuen Ära der Befragung des Subjekts werden Datenbanken vielmehr die Subjektkonstitution verändern, indem sie es multiplizieren und dezentrieren. Wie sich dies auf uns, die "realen" Subjekte, auswirkt, und was zu tun sein könnte, ist dabei die spannendste Frage. Die allzu wörtliche Interpretation dieser Formulierungen hat sich in der erfolglosen Suche nach den psychischen Pathologien des Computers und multiplen Persönlichkeiten als Sackgasse erwiesen. Der Einfluß erfolgt vielmehr über eine politische und soziale Wandlungsprozesse der Gesellschaften.

Das "inverse Panoptikum" könnte man als unbewußte Reflexion des disziplinierenden Panoptikums interpretieren. Es impliziert eine Umkehr der kontrollierenden Blickrichtung und damit eine Lockerung der Zentralmacht über die Peripherie, wobei es jedoch gilt, dezentrale Mechanismen zur Vermeidung sozialen Unrechts zu entwickeln. Der amerikanische Freedom of Information Act kann immerhin den Weg zu einer demokratischeren Informationsgesellschaft weisen. Einen ähnlichen Weg beschreitet auch die am 4.1.1997 auf der Wartburg verkündete Online MagnaCharta. Die Unterzeichner nahmen sich das jüngst verabschiedete Telekommunikationsgesetz der Bundesregierung sowie einige Zensurmaßnahmen deutscher Provenienz im Internet zum Anlaß, für die Freiheitrechte des elektronischen Kommunizierens einzutreten. Der Cyberspace wird auch hier dem Territorium eines internationalen Weltstaates gleichgesetzt, in dem andere Freiheitsrechte gelten als in den Nationalstaaten. Ein schöner Gedanke, der die aktuell seitens der großen Konzerne permanent zur Begründung für das Rollback von Arbeitnehmerrechten postulierte Globalisierung einmal andersherum deutet - im Sinne eines Weltbürgertums europäischer Prägung.

Leider zeigt die derzeitige Bonner Diskussion über ein Kryptografiegesetz zur Beschneidung privater Verschlüsselungstechniken, daß die Administration ganz andere Vorstellungen hat (Multimediagesetz, Multimediadienste-Staatsvertrag), obwohl der direkte Zugriff des Bürgers auf alle staatlichen Informationen eine neue Säule der Legitimation der demokratischen Gemeinwesen schaffen und so dem Zerfall der politischen Institutionen entgegenwirken könnte. Wenigstens einige Facetten der "multiplen Subjekte" müssen der parlamentarischen Demokratie erhalten bleiben, denn ohne Bürgerbeteiligung kann sie nicht existieren. Die bereits 1979 von Lyotard in seinem "Postmodernen Wissen" geforderte Öffnung der Datenbanken für die Allgemeinheit wäre ein wichtiger Beitrag zur Eroberung des Cyberspace durch den Menschen.

Mit dem Verbreiten von Unabhängigkeitserklärungen im Internet ist es allerdings nicht getan. Bedenkt man, daß Computernetze und Datenbanken die ideale Technologie eines elektronischen Panoptismus sind, so erweist sich die Frage danach, was wir mit dem kommenden Cyberspace machen wollen (oder was wir wollen, daß er mit uns macht) als politische, aber auch als soziale Problematik. Sie bedarf keinesfalls nur technologischer Lösungen. Es wird dort auch um die Verteilung von Macht bis hinunter zu einer Ebene gehen, die in die Konstituierung der Subjekte hinein reicht. Die Auswirkung auf diese Subjekte wird sorgfältig zu beobachten sein, und zwar auch auf solche Subjekte, die nicht zu den Glücklichen zählen, die nicht mit ihrer "Homepage" im Internet präsent sind und daher im Amerika des Cyberspace (wie Kafka vermutete) auch nicht auf Mitleid hoffen können.

Menschliches Leid und soziale Probleme verschwinden nicht, wenn ihre Bilder in einer bunten Flut von Infotainment versenkt werden. Medienseelige Beteuerungen dieser Art von Seiten ästhetisierender Nihilisten dürften sich schnell als Eigentor erweisen. Die Freiheit, Probleme zu lösen, setzt die Fähigkeit voraus, Probleme erkennen zu können. Die Knotenpunkte des Internet, die Suchmaschinen, bedürfen einer demokratischen Kontrolle, seine möglicherweise "feudalistischen" Strukturen sollten kritisch beobachtet werden. Schulen und Universitäten dürfen künftig über der "Computerliteracy" nicht die Entwicklung und Vermittlung einer Ethik vernachlässigen, die den Bedürfnissen des in der Informationsgesellschaft lebenden Menschen angemessen ist. Dem Obdachlosen ist nicht damit geholfen, wenn man ihm seine warme Suppe am Internet-Terminal verabreicht. Er braucht Wohnraum, Schulbildung, eine Perspektive. Das inverse Panoptikum ist ein Schritt in die richtige Richtung, aber es muß um eine soziale Praxis ergänzt werden, die menschliche Bedürfnisse vor den freien Fluß der Information und des Geldes setzt.  TB 1997 (telepolis)

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Dem inversen Panoptismus verwandte Kunst:
Mark Lombardi beobachtete die Macht- und Geldeliten

Ästhetik der Konspiration

Thomas Barth 05.07.2012

Ein deutscher Dokumentarfilm von Realfictionfilm

über Leben und Werk von Mark Lombardi, der dubiose Transaktionen der Finanzindustrie verfolgte

Lombardis "Narrative Structures" sind elegante Organi- und Soziogramme, Bleistift auf beigem Papier: Eine künstlerisch bemerkenswerte Serie von Zeichnungen, Diagramme mit visuellen Darstellungen, die Machtbeziehungen der globalen Wirtschaft und Politik darstellen. Jetzt läuft in deutschen Kinos der Film "Mark Lombardi: Kunst und Konspiration" über Leben und Werk des Künstlers, der sich, laut offizieller Darstellung, am 22.März 2000 das Leben nahm. ...

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Kurzfassung:

Kunst und Konspiration - Ein deutscher Dokumentarfilm über Leben und Werk von Mark Lombardi 

Thomas Barth 09.07.2012 (Abstract für Medienwissenschaft)


In ihrer betont unaufgeregten Dokumentation porträtiert Wegner posthum einen bemerkenswerten Künstler, der fast investigativ-journalistische „Elitenforschung betrieb. Im Internet ein Phänomen, ist Lombardi in Deutschland über die engere Kunstszene hinaus noch weitgehend unbekannt.

Lombardis "Narrative Structures" sind elegante Organi- und Soziogramme, Bleistift auf beigem Papier: Eine künstlerisch bemerkenswerte Serie von Zeichnungen, Diagramme mit visuellen Darstellungen, die Machtbeziehungen der globalen Wirtschaft und Politik darstellen. Jetzt läuft in deutschen Kinos der Film "Mark Lombardi: Kunst und Konspiration" über Leben und Werk des Künstlers, der sich, laut offizieller Darstellung, am 22.März 2000 das Leben nahm.

Wegener recherchierte und drehte für diesen Film monatelang in den USA. Visuell arbeitet sie mit Bildern, die man aus journalistischen Enthüllungsfilmen kennt, mit Aufnahmen imposanter Gebäudefassaden, Experten- und Zeugen-Interviews, Kamerafahrten hinab ins Archiv Lombardis. Doch statt den sonst auf Betrachter einprasselnden Fakten und atemlosen Reporterberichten begleitet die Aufnahmen oft Schweigen, die Gespräche und Kommentare sind ruhig, lassen Zeit zum Nachdenken. Ähnliche Eindrücke in einem vergleichbaren Kontext weckte bislang nur der Film von Gerhard Friedl: "Hat Wolff von Amerongen Konkursdelikte begangen?" Die bemerkenswerte Kameraführung ist Sophie Maintigneux zu verdanken, die schon mit Godard filmte.

An den Zeichnungen Lombardis ist die exakte Raumaufteilung zu bewundern, auch die akribische Ausführung der auf den ersten Blick wie florale Ornamente wirkenden, quadratmetergroßen Diagramme. Im Film wie im Netz sind die Bilder schwer darstellbar, es gibt zu viele Details, man verliert schnell den Überblick. Der Inhalt der Kunst von Mark Lombardi (1951-2000) sind Zeichnungen über Verbindungen von Finanzwelt und internationalem Terrorismus, über Oliver North und die Iran-Contra-Affäre bis hin zur Verstrickung der Bush-Familie mit Bin Laden, die Lombardi lange vor den 9/11-Anschlägen dokumentierte.

Mark Lombardi begann 1995, zunächst wenig beachtet, in Houston seine Zeichnungen auszustellen. Erste größere Aufmerksamkeit weckte er im Rahmen einer Gruppenausstellung im Drawing Center, SoHo 1997. Er zog nach New York und hatte seine erste Einzelausstellung, ''Silent Partners'', im Jahr 1999 in der Galerie Pierogi 2000, die heute noch seine Werke im Bestand führt, dann folgte ''Vicious Circles'' in der Devon Golden Gallery in Chelsea. Es war ein kurzer, aber stetiger Anstieg der Aufmerksamkeit: Lombardis Arbeiten wurden inzwischen weltweit in zahlreichen Museen und Galerien ausgestellt.


Die Kunstkritikerin Frances Richard meint, dass Lombardi mit seinem Begriff "Narrative Strukturen" stillschweigend zugab, seine kartographierte Konversation sei eine konstruierte Fantasie, eine abenteuerliche und vorsätzliche Verwechslung von quantitativer und qualitativer Analyse. Karten gehören für sie in den Bereich von Zahlen und Körperlichkeit (oder scheinen dorthin zu gehören), während das Gespräch ein durch und durch subjektiver, immaterieller Prozess ist. Dennoch mutet es geradezu hellseherisch an, wie Lombardi die Themen vorauszusehen schien, die uns seitdem beschäftigen. #

Hier eine ähnliche Idee, umgesetzt mit deutschen Firmen/Vereinen
MOBLOG-Projekt "Verstrickungen": INSM, Atlantikbrücke, Bertelsmann






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ChaosComputerClub e.V. Hamburg / FoeBuD e.V. Bielefeld   1995 Chaos Communication Congress

Cyberspace and the Way to the Inverse Panopticon

by Thomas Barth (overworked for DECODER, Milano)    Siehe weiter unten->

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Rezeption:


Angela Gamsriegler (2003):
Macht und Kontrolle im (Super)panopticon  (pdf)


aus Daniel Kulla: Der Phrasenprüfer (2004)

Exkurs Inverser Panoptismus

Thomas Barth aus Hamburg hat einige Zeit in der Hackerszene Forschungen angestellt

(Anmerkung dazu von T.Barth: Eine leichte Untertreibung - seit 1985 teilnehmende Beobachtung in der Hacker (Sub-) Kultur, 1990 psychologische Diplomarbeit zum Thema "Psychologie des Hackers" (widerlegte die damals als gültig angesehenen Theorien zur Psyche der Hacker und ihrem "Maschinellen Charakter", so der Buchtitel einer 1987 als Standardwerk angesehenen DFG-Studie), 1993 kriminologische Diplomarbeit zum Thema "Kriminalisierung der Hacker" (die erste Studie dieser Art), zahlreiche Vorträge und Workshops auf Hackerconventions, vor allem auf den Chaos Communication Congressen des Chaos Computer Clubs von 1989-2011 zu Datenschutz, Netzkultur, Cyberpunk-Utopien, Lucid Dreaming, Medienmacht, Netzethik, Netzmedienrecht und vielem anderen)

und zu ihrer allgemeinen sozialen Einstellung eine Theorie aufgestellt.

Sie geht zunächst vom Ordnungssystem der modernen Industriegesellschaften aus, das in der Zeit der Aufklärung entstanden ist. Besonders Michel Foucault untersuchte die Gemeinsamkeiten in der Struktur von Fabriken, Gefängnissen, Irrenhäusern und Schulen. Zunächst traten diese Einrichtungen etwa zeitgleich auf. Ihre Direktoren ordneten das Leben der Insassen  totalstmöglich. Um das zu erreichen, wurde schon bei der Architektur dieser Gebäude wert darauf gelegt, daß sie möglichst vollständig zu überwachen waren. In Idealvorstellungen wurden Röhren und Spiegel so angebracht, daß der Direktor jederzeit in sämtliche Zellen oder Räume Einblick hatte. Umgekehrt waren die Insassen natürlich nicht in der Lage, ihren Beobachter zu sehen. Auf diese Weise sollte sich jeder ständig beobachtet fühlen. Diese Konzeption nennt Foucault Panoptismus.

Die massenhafte Verbreitung von Einrichtungen dieser Art trug dazu bei, daß die modernen Kulturen paranoid und schuldzerfressen wurden. Die namenlosen Richter bei Kafka. Big brother is watching you. Der liebe Gott sieht alles.

Die Hacker spitzten dieses Problem zunächst zu, um es deutlich zu machen. Sie kultivierten die Paranoia geradezu, machten die Möglichkeiten von Überwachung und Kontrolle zum Thema, in beispielhaften Aktionen machten sie sie sichtbar.

Mit ihren gerade vom CCC erhobenen Forderungen drehten sie den Spieß um. Sie verlangten eine „maschinenlesbare Regierung“ und verordneten sich den Grundsatz: „Private Daten schützen, öffentliche nützen.“

In den USA hatte diese Entwicklung wie immer schon Jahre zuvor stattgefunden: die Diskussionen um die Ermordung Kennedys und mögliche Geheimdienstverstrickungen waren Anlaß für den Kongreß, 1972 den Freedom of Information Act zu erlassen. Mit der Einschränkung bestimmter Fristen und Sicherheitsstufen können seitdem regierungsoffizeille Dokumente von Bürgern der USA eingesehen werden.

Da die deutschen Hacker aus verschiedenen Gründen weit davon entfernt waren, eine gesetzliche Änderung solchen Ausmaßes herbeizuführen, verharrten sie in der Entdecker-Position. Sie benötigten weiterhin Sicherheitslücken oder kleine Skandale, um unzugängliche Informationen zutagezufördern. Watching them watching us, heißt die Formel bis heute.

Thomas Barth folgerte, daß sich bei den Hackern ein übermoralischer Standpunkt entwickelte, dem von Greenpeace vergleichbar. Während sie sich selbst für unschuldig und unangreifbar erklärten, versuchten sie, den „Direktoren“ möglichst viele Vergehen nachzuweisen. In der „Hackerbibel“ hieß das dann: „Ein ganz klein bißchen verstehen wir uns als Robin Data. (...)

Anmerkung von Thomas Barth: Die Formulierung "übermoralischer Standpunkt" kann ich so nicht bestätigen -nicht nur wegen der neckisch-nietzscheanischen Anspielung auf den Übermenschen, auch weil Daniel Kulla seinen Moralbegriff nicht näher erörtert bzw. definiert, aber dem Buch als Gesamtkunstwerk stehe ich wohlmeinend gegenüber, vgl. meine Buchbesprechung auf Telepolis kurz nach der Buchpublikation:

Konstruktive Paranoia

Thomas Barth TELEPOLIS  11.01.2004

"Der Phrasenprüfer": Biographie von Wau Holland, des 2001 verstorbenen Mitbegründers des Chaos Computer Clubs

Wau Holland, der amtlich Herwart Holland-Moritz hieß, war Mitbegründer des Chaos Computer Clubs (CCC) und technischer wie sozialer Visionär. Er starb 2001, kurz vor seinem 50. Geburtstag. Sein Nachlass wird inzwischen in einem Archiv der Netzwelt zur Verfügung gestellt und der jüngste Chaos Congress präsentierte die in Hackerkreisen nicht unumstrittene "Beinahe-Biographie".

Der Autor Daniel Kulla ein Jungliterat und Text-Hacker vom Prenzlauer Berg, versucht eine biographische Annäherung an das Leben des CCC-Gründers: "Der Phrasenprüfer". Der Titel spielt auf Wau Hollands Talent an, Sprache kritisch zu zerlegen und in entlarvende Aphorismen zu gießen, sowie auf sein Markenzeichen: einen Phasenprüfer, den der gelernt Fernmeldetechniker stets in seiner Latzhose bei sich führte. Von einem schnippischen Journalisten einmal gefragt, wozu er so etwas denn brauche, soll Wau geantwortet haben: "Falls ich mal telefonieren muss."

Wau Holland wird in Kullas von leichter Hand am Rande der Schnoddrigkeit verfasstem Text an vier exemplarischen Wirkungsstätten beschrieben: In Hamburg, Jena, Berlin und Löhrbach, der Wirkungsstätte des Underground-Verlages Grüner Zweig, der sich hauptsächlich mit Drogen, Anarchie und Medienexperimenten befasst. Dessen Besitzer Werner Pieper war ein guter Freund Waus und hatte die legendären Hackerbibeln herausgegeben, die nicht zuletzt den Ruf des Chaos Computer Clubs begründeten. Auf seine Initiative geht das vorliegende Buch zurück, dessen Autor von Pieper auch als Lektor beschäftigt wird.

Die Schilderung jedes Schauplatzes beginnt Daniel Kulla mit den von ihm interviewten Gesprächspartnern, Waus Freunden aus alten Hackerkreisen. Er schildert bedächtig wie der Ort mit den Protagonisten in Verbindung steht, woher sie kamen, was sie rauchten, worüber sie stritten. Den Rahmen der vier Szenen setzt er dabei anhand der Musik, der konsumierten Genussmittel, der Anlässe. In Hamburg ist es ein "normaler" Chaostag im Club, in Jena eine coole WG-Party, in Löhrbach ein mystisch-philosophisches Vollmondtreffen der Freunde des Grünen Zweiges", die Berlin-Szene schließlich greift auf den jährlichen Chaos Communication Congress zurück, die jährliche Hacker-Convention, die mittlerweile regelmäßig 2-3000 junge Computerfans anzieht. Nebenbei wird die Geschichte des Clubs in groben Zügen nachgezeichnet sowie auch die Heimholung bzw. -suchung der DDR aus östlicher Sicht - Wau verbrachte die letzten Jahre seines Lebens in Jena.

Wem gehören unsere Daten?

Vielleicht war Wau Holland nicht wirklich "der größte deutschsprachige Aphoristiker seit Lichtenberg" (so der Klappentext). Seine bedeutsame Rolle als Nestor der deutschen Hackerszene ist jedoch unbestreitbar. Wau Holland stellte die Kardinalfrage der Informationsgesellschaft: "Wem gehören unsere Daten?" Sein visionärer Ansatz war einprägsam, radikal und unerfüllbar: "Alle Informationen sollten frei sein." Gemeint war dies als Basissatz, der durch weitere Pflichtsetzungen einzuschränken und zu entfalten sei, insbesondere den Schutz privater Daten. Inzwischen entwickeln Hacker auf der Basis einer so begründeten Hacker-Ethik Zukunftsentwürfe wie den (im Buch angedeuteten) "inversen Panoptismus" und natürlich die nötigen Technologien, um sie noch zu Lebzeiten umzusetzen.

Kulla rekonstruiert Originaltöne des Nestors der deutschen Hackerszene aus Video- und Tonbandaufzeichnungen und reichert sie phantasievoll mit schriftlich oder mündlich überlieferten Äußerungen an. So verdichtet er sie geschickt in einer filmartigen Doku-Fiction, mit Zeitzeugen-Interviews, Rückblenden, Exkursen, O-Tönen und Bildmaterial.Effekthascherei wird dabei weitgehend vermieden, die Szenen sind ruhig, Gespräche kreisen, mäandrieren rund um Themen aus der Subkultur der Netze: Datenschutz, Quantenmechanik, Linux, Bewusstseinserweiterung. Wau wird respektlos und mit dichterischer Freiheit plastisch gemacht.

Langsam nähert man sich dem Ende Waus, seine Gesundheitsprobleme treten hervor, böse Vorahnungen kommen auf, letzte Begegnungen werden nachgezeichnet. In die spürbare Trauer mischt sich das belebende Andenken an einen modernen Diogenes, dessen tiefgründiger Humor weit mehr an Weisheit zeigte als manch akademische Abhandlung zum Thema Computerkultur. Vor allem die "Popularisierung der konstruktiven Paranoia" sei Wau zu verdanken, so das Fazit des Buches.

Wenn sich hier ein "junger Wilder" aus dem Osten an der Geschichtsschreibung einer zunächst rein westdeutschen Erscheinung versucht, so generiert dies schließlich einen speziellen Reiz: Den rückwirkenden Blick von außerhalb, der gerade deshalb besonders leicht an deutsch-deutschen Gemeinsamkeiten hängen bleibt. So z.B. bei der Beschreibung des legendären HASPA-Hacks, bei dem der CCC eine Hamburger Bank online um gute 100.000 DM erleichterte. Danach, so Kulla,

stand auch der Chaos Computer Club unter dem "Verdacht der freischaffenden Subversion". Für die vielen jungen Deutschen, die sich diesem Projekt der Datenbefreiung verschrieben, hatte das therapeutische Wirkung. Sie lernten die Kraft der Bewusstmachung kennen, lauter Deutsche, deren Taten von Spaß durchdrungen wurden. (...) Man machte Scherze, mitten in Deutschland; der befreiende Witz, der hierzulande als unsittlich gilt, fand ein Zuhause. Des groben Unfugs bezichtigt, beharrte er darauf, "feinen Fug" zu machen. Er hieß Wau. Wau Holland. (...) Der zentrale deutsche Fetisch, den es zu exhumieren galt, war die Sicherheit, die Ursache für den faulen Frieden vorher, das Bedürfnis, sich in Sicherheit zu wiegen. Daher war die persönlichste Manifestation des CHAOS der gleichnamige Computer Club, der mit beinahe missionarischem Eifer darauf bestand, dass es keine Sicherheit gibt, dass sie nichts weiter als eine nette, aber ebenso trügerische Illusion ist und der sich daran machte, Schritt für Schritt zu beweisen, an wie vielen Stellen diese Sicherheit trügerisch war.

Daniel Kulla: Der Phrasenprüfer: Szenen aus dem Leben von Wau Holland, Mitbegründer des Chaos Computer Club, Der Grüne Zweig 241, ISBN 3-922708-25-0; 144 Seiten, 8 Fotos, 9 EUR

 

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M.Bliemeister: Digitale Überwachung (2005) pdf-download

 

 

 

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 ChaosComputerClub e.V. Hamburg / FoeBuD e.V. Bielefeld    CCC 1994


ChaosComputerClub e.V. Hamburg / FoeBuD e.V. Bielefeld    CCC 1994

 

Cyberspace und der Weg zum inversen Panoptikon

Thomas Barth 1994 (Referent: Sondererfahrungen...)

Panoptikum bedeutet im Englischen nicht Wachsfigurenkabinett, sondern bezeichnet eine spezielle Form von Gefängnisarchitektur. Im panopticon ist jeder Häftling von einem Zentralturm aus für die Wächter sichtbar; die Wächter dagegen sind für ihn unsichtbar, so daß er nicht weiß ob und wann er unter Beobachtung steht.

Der französische Philosoph Michel Foucault leitet von dieser Erfindung der frühen englischen Aufklärung eine ganze Theorie unserer Kultur her ("Panoptismus"). Disziplinierung durch den kontrollierenden Blick spielt demnach auf jeder gesellschaftlichen Ebene eine große Rolle für die Selbstkonstruktion der Subjekte: Von der Registrierung des Neugeborenen im Krankenhaus über Schule, Familie, Armee bis zur staatlichen Steuerung der Bevölkerungsentwicklung.

Mein Essay "Cyberspace and the Way to the Inverse Panopticon" versucht eine Erweiterung des Konzeptes des Panoptismus auf die moderne Multimedia-Gesellschaft. Als Möglichkeit einem ausufernden Überwachungsstaat entgegenzuwirken, wird die Idee eines "Inversen Panoptikons" angeboten, in welchem die Sichtbarkeitsverhältnisse umgekehrt werden sollen: Nicht der gläserne Bürger, sondern die gläserne Bürokratie sind gefordert -bei vollem Datenschutz für persönliche Informationen.

Anfang 1995 erscheint ein Buch von Thomas Barth, welches unter dem Titel "Soziale Kontrolle in der Informationsgesellschaft" versucht, das Problem mit Hilfe eines systemtheoretischen Ansatzes zu analysieren (Centaurus-Verlag, Pfaffenweiler 1995)

Deutsche Zusammenfassung des Essays

Günther Anders (1902-1993) Philosophie des Menschen im technischen Zeitalter, wird kurz vorgestell, insbesondere seine Arbeit über die Massenmedien: "Die Welt als Phantom und Matrize" (in: "Die Antiquiertheit des Menschen", Bd.1). Die These einer Auflösung oder Zerstreuung der Subjekte wird im Hinblick auf Anders und die postmoderne Philosophie diskutiert. Die Parallele von Auflösung von Welt und Individuum durch die Massenmedien (Anders) und der von Postmodernen vertretenen These vom "Tod des Subjektes" wird angenommen. Dieser Ansatz wird auf die Informations- und Medienkultur erweitert. Ansätze der Frankfurter Schule und von Neomarxisten werden kritsch beleuchtet. Foucaults Metapher vom Panoptikon, des "Netzes der Einsperrungen", der Kontrolle, Überwachung und Disziplin wird auf seine aktuelle Bedeutung überprüft.

Die These von Gilles Deleuze, die Disziplinargesellschaft gehe zu einer Kontrollgesellschaft über, wird durch eine Analyse des Panoptikon/Massenmedien-Mechanismus erhärtet. In diesem Mechanismus wirken zwei komplementäre Technologien auf eine Kontrolle von Verhalten, Illusionen und Begehren hin, die vielleicht die traditionellen Formen der Einsperrung in Zukunft überflüssig machen könnten.

ChaosComputerClub e.V. Hamburg / FoeBuD e.V. Bielefeld   1995 Chaos Communication Congress

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Cyberspace and the Way to the Inverse Panopticon

by Thomas Barth 1994 (overworked for DECODER, Milano)

Survey: 

1.   Introduction:  Guenther Anders' Philosophy 

2.   The Dispersion of the Subject

2.1. Anders & Postmodernism

2.2. The Babbitization-Syndrom

2.3. Dissolution of the Present-Horizon 

3.    New Aspects of Power

3.1. Panopticon, Television & Control -A New Device

3.2. Between Marx and Monitors: Viewpoints on  Information Society

3.3. The Control Society

3.4. Computerization and Anti-Control-Movement  

 

Abstract:  Guenther Anders' (1902-1993) philosophy of humans in the technological age is briefly introduced, especially his work on the mass-media  (The World as a Phantom and a Matrix, 1956). The thesis of the dispersion or dissolution of the subject is discussed with regard to Anders and some postmodern authors, mainly Foucault. A parallel between dissolution of world and individual caused by the mass-media (Anders) and the thesis of the dissolved subject by the postmodern authors is supposed.  The ideas introduced here are extended on the information technology and society. Issues of Neomarxists and the Frankfurter Schule on explaining information society are discussed. The Foucaultdian metaphor of Panopticon/Panoptism, the "network of incarceration", of control, surveillance and disciplines is questioned as to its actuality in the modern societies. Deleuze's thesis of the change from a disciplinary society into a control society is supported by an analysis of the Panopticon/television-device. This is supposed as a mechanism of two different networks of technology working together in controlling behavior, illusions and desire, which makes the traditional incarceration obsolete.  Computerization is considered as an important part of this change into control society. According to Lyotard the creative and critical use of the computer technology  by  a counter- culture of hackers  is recommended as an anti-control movement. 

 

1. Introduction:

Guenther Anders' Philosophy of the Technological Revolution 

The concept of the panopticon  needs an analysis in the broader context of technology (especially of mass- media). Technology is the issue of a philosopher, well known in German public but expulsed and mostly concealed in the world of scientific and academic philosophy. The recently deceased philosopher Guenther Anders had centered his work outside of the academic area. His father, William Stern  ("Anders" was the philosopher's artist-name) had been expelled to exile by the Nazis and their academic accomplices. He was the founder of the Hamburg University's Psychology section.

Anders made ends meet by doing "odd jobs" in the U.S.A., where he also worked as a factory worker, a fact that furnished material for his critical analysis of the relationship between man and technology.  His analysis of the destructive dimension of techno-scientific progress is regarded today as "one of the great documents of self-criticism of the left"  and is compared to Horkheimer and Adorno's "Dialectics of Enlightenment": "Die Antiquiertheit des Menschen" (The Antiquity of Man) , the first volume of which appeared in 1956.

The basically media-pessimistic tendency of his essay "The World as a Phantom and a Matrix", which is contained in this book, has only been partly revised by Anders in his preface to the fifth issue in 1979, as a consequence of his perception of the media's Vietnam reports. The positive effect of the latter he commented by: "Pictures perceived are certainly worse than perceived reality,  but they are still better than nothing at all." (p. VIII).

It is the goal of this essay to compare Anders' theses with a few more modern points of view, especially with Foucault's "Surveiller et punir". The conclusions of Anders makes him to an anti- McLuhan, to anti-prophet of the global village. His critic will give some interesting hints how to deal with cyber- and other spaces.  

 

2. The dispersion of the subject 

2.1. Anders & postmodernism 

 

An important thesis in structuralist and postmodern reflexion on culture is the dissolution of the subject. The thesis proclaiming the "Death of Man", uttered more often and more vigorously by his critics than by Foucault himself, makes a point  of this blasphemy against the social sciences . Even when considered as an "epistemological metaphor" , there still has arisen some quarrel.

Being an abstract result, this moderating view of the subject seems to be astonishingly congruent with Guenther Anders' observations on modern man: i.e. that mass media transform us into scattered existences amidst some "ontological ambiguities". Are the theoretical insights of the post-modernists only inspired by the personal  relationship between their author and the world, a relationship which  in turn is widely determined by the mass-media? Are perhaps the postmodern theories a mere mirror of today's circumstances of individual "reality production"? 

Anders sees a cause of this new relationship in the irruption of technical achievements, mainly mass-media, into our everyday world. The "dispersion" (or "dissipation")  of the subject also occurs in his phenomenological media theory, where he uses the same image as Foucault. "Structuralism does not at all deny the existence of the subject, but it makes the subject  crumble and systematically scatters it,  it denies the subject's identity, dissolves it and makes it go from one place to another, changes it into a subject that will always be a nomad". (Deleuze op.cit.)  

 

2.2. The Babbitization-Syndrom 

Mass-media tend to bring closer to us people who are far away,  whom we will never actually meet and who maybe are only fictitious, so that in the end they seem to be closer than the real ones that we personally know. This applies  not only to people but also to things, to sports, culture, war, catastrophes - all these are abundant in our homes. The neologism "Verbiederung" -babbitization, describes this process as a distortion of the world which supports a simple form of world view, the view of the bourgeois.

The good and the bad are easy to discern, a well-ordered scenery of frames guards the babbit, who is frightened of everything alien, and in general, of the chaos of the world. But shrunken to little two-dimensional puppets, the criminal and other deviant monsters give us a nice thrill:  we know Batman will take them into prison. Even real nuclear disasters are easy to consume, guarded by the experts and by trustful official faces. Anders speaks of us being systematically changed into "companions of the globe" by our electronic tranquilizers. He also says that we should not mistake this as something that enables us  to love the far-away, as a state of real brotherhood or even mystical "Einsfuehlung", as it was found by cultural optimists like Marshal McLuhan or Teilhard de Chardin in "Global Village" or "Noosphere", respectively. 

On the contrary, a media consumer rather grotesquely loses his ideas of distance or difference. The everyday life of a normal consumer is marked by an increasing disappearances of spacial categories. Railways, cars and airoplanes make continents shrink to villages. The globe becomes a supermarket where foreign countries and cultures can be consumed just like at home in front of the television-set. The air passenger does not feel the distance, his or her journey is transformed into mere movement. At the core of these tendencies , i.e. of the globalization of the living-room and the planetarization of the front garden, are the electronic mass-media , especially the computer. Whoever really wants to be up-to-date will not content himself with today's cosmopolitan world-citizenship, but will at least found a "galactic union"  (as say the articles of the Chaos Computer Club of Hamburg). 

The product of the mass-media is a "babbitized" world, a cosy little thing that enters our living-room, not necessarily logical but self-consistent. It is effected mainly by distortion and levelling of events. By this way of consuming the world, the spectator increasingly becomes somebody who is directly involved, or at least this is what the medium tries to suggest. The forced disappearance of differences within the presented context goes hand in hand with the disappearance of the frontier between the actual and the media-presented "realities". 

 

2.3. Dissolution of the Present-Horizon 

Is it really only pictures that the mass-media deliver? Doesn't the technical connection that exists between us and the rooms where a live transmission is being taken give us a part of actual presence there? If we listen to a radio-transmitted concert, then we rightly  say that we are listening to a symphony, and not to an "audio- picture" of that symphony. But in this case our relationship to the world is only a half of  something, and it is the passive half that is left to us. 

The disciplining effect that this consumable surrogate-world can have has been clearly expressed by Timothy Leary, a psychologist transformed from a drug-apostle into a computer- and cyberspace-fan:

 

"George Orwell got it wrong. He was too optimistic. He wrote in 1984 that Big Brother would watch us from screens on the walls of our living rooms or bedrooms. But that is nothing. You could always duck out of sight. The currant horror is that Americans voluntarily stick their amoeboid faces toward the screen six or seven hours a day and suck up information that Big Brother is putting there." 

 

In spite of this condemnation to passivity, the illusion of reality of the media acts upon us in a way of magical fascination. In opposite to conventional pictures (photographs), those pictures transmitted by television lack the time difference between original and model - which is actually the case during live-transmissions, or otherwise apparent because the actors  move. According to Anders, we could speak of a "dissolution of the present- horizon". 

The word "present" has a double function here which underlines the beginning confusion: it means spacial presence (i. e. being present) as well as temporal simultanity. The present is being shifted towards the simultaneous, while its temporal aspect is even less distinct to the media-user than the spacial aspect. Guenther Anders goes as far as speaking of these particularities of the media-world as an "ontological ambiguity", because the transmitted events are present and absent at the same time, real as well as fictitious, briefly:"... because they are phantoms." (Vol.1, p. 131) 

 

Not without a certain degree of justification, Anders remarks that sometimes it happens that we are unable to say where we have spent the afternoon: have we been in the garden, weeding, or have we rather been on the football field, following the "audio-picture" of the match? If afterwards somebody came to ask us the names of the children playing in the garden, we might  rather be able to tell the names of the football players whose acoustic phantoms had captured our attention.

In principle, we have been at both of the places, but at none of them really; we were dispersed between them. It was this distraction that we were looking for. This example clearly shows that not only do we not know where we are, but we don't know what we are doing. We are dispersed/distracted between two activities.  The computer gives its user a new quality of media-activity: to manipulate the world beyond the screen. Computer freaks told us of feelings like breaking through a magical wall, like conquering a new mystical space (the Cyberspace).

"Alice in wonderland" is an often quoted tale in the computer science - perhaps not only because of the logical games. Has the world of the media become less phantom-like by computerization? The latter at least enables the user to take part actively what happens. Or does he rather become a phantom while manipulating the world behind the monitor, while electronically slipping into networks as a being of data? However, the data-traveller and the computer freak are substantially more lively phantoms than the figures that t.v. sends into our homes. Their knowledge of the technological networks certainly does extend their possibilities, but first of all the "virtual vagabonds" have to make an effort in adaptation: they have to learn a computer language which demands a stringent use of structures, otherwise the electronic excursion will very soon end with a laconic "syntax error". 

The modern subject who tries to face and contend with the passive consumption of phantoms and the infantilization of the media system is a very disciplined subject. The discipline of the computer freak is similar to that of the book culture, a culture which Anders perceived as a victim of the media world. It is this exploratory discipline that will now  be critically analyzed with the help of Foucault. 

 

3.  New Aspects of Power: 

3.1.Panopticon, Television & Control  -A  New Device 

In the analysis of the relations of power, technology and individual, Guenther Anders seems to complete Foucaults' efforts. Anders' work enlightens the capillar mechanisms of power in the field of mass media, which Foucaults' Panoptism is neglecting. This blind spot of Foucaults' theory missed a development, as a parallel to the panoptical process, of a unique and enormously extensive system. It is enabling the many to see the few. The panoptical tendency for the few to see and supervise the many is contextualized by a remarcable counterpart: the development of the total system of the modern mass media.

Both of these systems are based on unidirectional communication, both of them support the power of groups which are already in power. The mass media are an ideological frame of the beliefs necessary for the surveillance systems to be functional. This "belief context" may be seen as propagation of "social censures", telling us what we have to see as crimninal or deviant. Social censures are a legitimation of surveillance and a part of the pressure to normalize the subjects. The human actor in the context of media-using  is only  a chooser and not a creator. Anders gives a deeper parable of the situation of the user of mass media:  "As it was not to the king's pleasure that his son, walking cross-country, would leave the marked and controlled roads in order to find his own views, he gave him a horse and a cart. "Now you don't have to walk any longer", the king said. But what he meant to say was: "Now you may not walk any more". Effectively the meaning of his words was: "Now you could not walk cross-country any more". (G. Anders, Vol.1, p. 97) 

 

According to Anders,  the "dispersion of the subject",  the dissolution of its connections to the world by technology and media leads to a loss of freedom of thinking; i. e.  a loss of that kind of freedom that according to Foucault was won during the Enlightment when disciplines were formed. Man, whose incapacitation  Anders complains of, is according to Foucault "that man, about whom we are spoken to, and who to liberate we are invited, is already intrinsically the result of a subjection very much deeper than himself. There is a "soul" in him that creates  an existence which itself is a part of that dominion which exercises its power on the body". (Foucault 1977, p.42) 

Not only the wily king, dominating his son, is that power, but also the kind king who had taught the son how to walk, thus opening up his freedom to rove about. Foucault seems to mention a point here that is totally strange to Anders: the school of walking, or rather of marching, already demands a certain constitution of the individual, i.e. the disciplinary subject. The discipline necessary for any "enlightened freedom" of thinking is attributed by Foucault to the subjection of the body under the picture of the machine. 

 

"The great book of man as a machine was written on two registers simultaneously:on the anatomical and metaphysical register, the first pages of which were written by Descartes and which later was continued by doctors and philosophers, and on the techno-political register, that was built from a huge lot of military-, school- and hospital regulations as well as on empirical and rational procedures to control or to correct the physical activities of man."  (Foucault 1977, p.174) 

 

All the efforts to understand the functioning of the human body firstly and then to exploit it were aimed at the acquisition of " infinitesimal power over the active body". As a model for those regulations, Jeremy Benthams "Panopticon" was chosen. In its original form as a prison, it penetrates society in its entirety, an "archipelago of incarceration", and so ensures a disciplining normalization. "The prison as a rigid (cell-like) segmentation refers to an extendable and mobile function, a controlled traffic, a network that also extends itself into the free milieus, that might teach how to get along without any prison at all. It is a bit like Kafka's "undelimited delay", which makes any arrest or judgement obsolete."  This allusion on Kafka's "Prozess", made by Foucault's companion Gilles Deleuze, shows up a new tendency which is no longer completely covered by the image of an "archipelago of incarceration".

The mass-media, only marginally present in Kafka's work, could play an increasingly decisive role by establishing a second network in society, a network whose communication scheme is the inverse of that of the panoptism.  But how could we connect Guenther Anders skilfully performed  accusation against the mass-media caused destruction of the (enlightened) subject with Foucault's criticism, which starts at a very much more profound level of reflexion? Or, to put it in other words, shouldn't we be glad that the media contributed to liberate the subject?

To liberate a subject, which according to Foucault stuck in a rigid corset of "bodily mechanics", from this false freedom of disciplinary-enlightenment? (This point of view may have inspired  the media-optimistic works of Marshall McLuhan.)  In Anders allegory, on the other hand, the mechanisms of incapacitation (and de-disciplination?) correspond  to one of those positive effects of precisely that power which Foucault refers to: 

 

"We must cease once and for all to describe the effects of power in negative terms: it >excludes<, it >represses<, it >censors<, it >abstracts<, it >masks<, it >conceals<. In fact, power produces; it produces reality; it produces domains of objects and rituals of truth: the individual and its perceptions are results of this production." 

 

Both of the authors at least seem to agree in their opinions on today's human being as a beneficiary of only illusory freedoms: while here, the mechanisms of the disciplines control the individual, there, the mechanics of a mega-machine have put man out of power. As Foucault concludes that "...there was no favor done to man when he was proclamed to be a subject of history, or a master of speech..."" , Anders complains that "...if there exists, as you would express it in Heideggerian terms, a >who< of history, this >who< does not mean us, but technology."" 

 

3.2.From Marx to Monitors:

Viewpoints on Information Society

Innovative forms of manipulation are need to be invented, a new type of power may emerge. The reason for this change of power technology is easily defined in marxist terms as a change on the economical base: 

 

"Especially in the advanced sectors of the economy, the manipulation of information tends to characterize human activity. (...) If advanced capitalism is becoming an information society, in aditition to the older configuration of a labor society, the labor premise can no longer be the first principle of a critical theory. Domination cannot be theorized from the point of view of the labor activity, of the subject acting on matter to produce things." 

 

Perhaps this interpretation of the category of work is too restrictive. We will now have a look on one neomarxistic issue discussing Frankfurter Schule  , which had  new ideas to explain the changing situation. Not everyone favours a complete renewal of marxistic thinking.  Rick Roderick  thinks that J rgen Habermas (the most famous" son "of Adorno's and Horkheimer's theories) judges Karl Marx too negatively.  In his monograph on the work of Habermas from the sixties to the eighties he concluded that Habermas' critical review of marxistic society-theory goes too far -not to the same extent as the Frankfurter Schule, but also too far. Nevertheless, the critical (neo-) marxist Roderick tries to give a benevolent and cooperative criticism of Habermas.

The idea of social rationality is discussed in front of the background of Marx, Max Weber and the Frankfurter Schule. Habermas' reception of these paradigms is interpreted as the attempt of taking the fragments of the tragedy of enlightenment -left behind from Adornos total critic of occidental rationality. A criticism of Kritische Theorie leads to the foundation of a communication-theoretical trial to reconstruct critical theory -centered on Habermas' ideas of universal pragmatics and evolution of society.  Roderick put the problem of rationality in normative foundation of critical theory and in the theory-practice- problem into concrete terms: In the formal semantic analysis of rationality and its relation to the social context.

In this perspective Roderick reflects Habermas' tension between a transcendental and a historical dimension, result of the trial of normatively founding critical theory by the idea of communicative rationality: The paradigm-shift from a paradigm of production to a paradigm of communication -with its theoretical core in the "Theorie kommunikativen Handelns", the opus magnum of Habermas.  At last this point inflames Roderick's criticism of Habermas' "misinterpretation of marxist theory". "Marx did not reduce the development of species on the dimension of increasing technical-instrumental rule over nature. It is only the interpretation of the most narrow >scientific< marxists."(Roderick, p.181). In spite of that in the marxist paradigm of production a subtle analysis of social interaction is possible. -There may be an affinity to the ideas of Mark Posters "mode of production versus mode of information", but Roderick seems not to know Poster. 

The next point is the discussion of the basic ideas of Habermas' paradigm of communication: The 'ideale Sprechsituation', the 'kommunikatives Handeln' and the 'kommunikative Rationalitèt'. First he mentioned a confusion of understanding and agreeing in Habermas term 'Verstèndigung' -a little sly-hint on the harmonistic tendencies. Then he calls in question the occurence of 'ideale Sprechsituationen' in relevant parts of normal life, and the optimistic hypothesis that 'Verstèndigung' must be the characteristic feature of language, communication the most important competence of human species: Couldn't misunderstanding, lies and disagreement be more characteristic, and instrumentalization the most universal competence of the species? In his critic of the 'quasi-transcendental dilemma' Roderick finds fault with the insoluble ambivalence between aprioric and empiric elements in Habermas' logic of development (taken from Piaget) -this seems not to do Piaget's constructivism justice.  Roderick's ideas of a reformed paradigm of production (which Habermas' theory of communication may complete) remain rather vague.

A Wittgenstein-like sounding quotation of Marx is not fully convincing, even not if completed by the hint that today the marxist term 'Fabrik' could be used for the whole society and that everyone could be regarded as  a proletarian.  This part of the renewal of Habermas need not have been so opaque: In the marxistic 'culture-historical' psychology ('activity theory') are emerging more concrete attempts for redesigning the paradigm of production with the goal of covering the social sector of communication. The contribution of Arne Raeithel   tries explicitely to be an alternative research strategy to Habermas' "Theorie kommunikativen Handelns".

Based on Vigotsky's classical work in marxistic psycholinguistics, Raeithel suggested an extension of the marxist term 'work' from production to reproduction and intersubjective relationships -i.e. social communication.  Roderick's survey of postmodern theoreticians also seems to lack depth. It is limited to the dicussion of only Baudrillard, who tries to explain the production in terms of an explicite 'paradigm of communication'. Capitalism is in this view interpreted as a kind of discourse -which uses an aggressive "terrorism of code"- while Marx is critizised for remaining caught in the discourse of production of bourgeois economists, planning his revolution as finishing of production.

In the discussion Roderick argues with his critic of Frankfurter Schule, underlining parallels to the postmodern thinking. But in his preface he blamed Habermas for undervaluing postmodern positions, wondering wether the great rationalist is not able to argue against the ironical style of the attacks of Derrida. 

Even the most subtle exegesis of marxistic paradigm of production -searching ideas for an communication- oriented critical theory- leaves some of the doubts of Baudrillard -especially if one takes into consideration the theses of J. F. Lyotard: This postmodern thinker explained the latest technological developments, the process of informatization of the western societies, at first as an exploitation of a newly discovered power of production: The language (e.g. algorithms as abstract machines). The new generation of 'linguistic-turn-marxists' ê la Roderick in this point of view seems to be a pure reaction on the latest chapter of the bourgeois discourse of production of economic values; perhaps similar to the above-mentioned  interpretation of the postmodernist movement  as reaction on the changing mechanisms of production of the subject. 

 

3.3.The Control Society 

Back to Anders and Foucault: Their  attempts are needed to understand the functioning of new power mechanisms working with new technologies of media. Foucault's negative aspects of power, the masking and concealing, make up part of the negative mechanisms of the media-world in Anders' analysis; their effect, however, is according to Anders definitly positive: the formation of new, standardized ways of thinking, the possibility of being guided not by walls and fences, but by the invitingly comfortable motorways of prefabricated world views.  Apparently, the restriction of the "enlightened" liberty of thought would simultaneously bring about changes in the disciplinary mechanisms that accompany this liberty. Deleuze mentions a change from a disciplinary society into a control society . Although this difference is still slightly indistinct in Deleuze's work, so that some have been tempted to consider it as a part of the "fog of the frogs", it seems useful to me to take up on the investigation at this point. 

It appears that the new capitalism of the New Technologies was constructed in a more refined manner, that it were no longer a struggle for the mere distribution of matter. In an affluent society, it is the logisticians of the immaterial who dominate. 

"Services have become the centre or >soul< of an enterprise. Marketing is the instrument of social control that is typical for the new generation of our masters."  As Foucault says, "...power can no longer be considered as a guarantee to maintain a form of production, but in fact power is one of the constitutive elements of this way of production, power functions within the heart of this way of production...", in order to "...define the life time of the individuals as a working-time". 

I feel tempted  to add here: not only working-time, but also consuming-time, especially media-consuming-time. According to Anders, who ever consumes media employs the most ephemeral and therefore best form of services. Simultaneously he exposes himself to the strategies of marketing business, i.e. to advertisements and commercials.  But how do the newly constructed  mechanisms of control work? "...enclosures are moulds...controls are modulation..."  

The disciplining enclosure of a prison, which under the mechanism of panoptism received its educational function, now recedes to give way to a pure panoptism in the literal sense of the word. Everything is exposed to the controlling instances while imprisonment itself only applies to special cases of deviance. But today's control-surveillance must neccessarily be completed by the watch of the controlled into the second network of the mass-media; they must watch t.v. while being observed from a distance. Their internalized directing process always needs a fine adjustment with the help of the transmitted picture worlds. There can be no doubt that the structures which had been formed under the disciplines take their part here. 

In advertising, as Anders remarks, it is most important to "...manufacture the raw material of >sexual stimulus< into a desire for goods and products..." and  "...the sexualization of today's advertising world has reached its climax just in those countries where prevails a tradition of puritanic taboos."  This marketing strategy falls on the fertile soil of a long-cultivated "discursivation" of sex  (Foucault), in which "...the power instruments working on sex do not follow a principle of strict selection, but rather have followed a principle of dissemination and implantation of polymorpheous sexualities." 

The puritanic traditions of taboo should not be misunderstood by a "repressive hypothesis" of sex, but on the contrary are an example for the blossoming productivity of power:  "In these instances there was not an activity which was 'repressed', but an extensive development of knowledge/power which shaped, constituted and controlled practices according to complex rules. Hand in hand, technologies of power and discourses are, according to Foucault, positive, creative forces, not negative, preventive measures." 

Even it seems as if Foucault did not clearly recognized  the  "gendered character of all censures" , his concept of the positive mechanisms of power does give us here a hint on  the structures, the directive mechanisms of the mass-media are based on. What is more evident than plucking the fruits of the dissemination of seeds mentioned above? Marketing could divert the polymorpheous sexual desires onto the glistening surfaces of varnished limousines. Today it is more profitable to compose virtuos programs of behavior on the detailed keyboard of sexual stimuli than to rely on the propaganda of disciplinating moral rules. 

What is the meaning of this transition to a more finely tuned form of control over the individuals? To which other rules must the constitution and socialisation of the subject obey? What symbols define its situation?  " Disciplinary societies have two symbols: the signature,which denotes the individual, and the number, which denotes its position in the large mass. In a control society, it is the number -the number is a code word- that is most important. The language of control is made of numbers, which either allow or refuse the access to information.

We are no longer dealing with a reciprocity between mass and individuals. The individuals have become dividuals and the mass has become data. The disciplinated man was a discontinual producer of energy; man controlled is a man of wave motion."  Masses moving stompingly and simultanously like the pistons of an internal combustion engine are no longer up-to-date. Control society allows wider liberties, more individuality; it is sufficient if the guided desires of the "lonely crowd" move within the statistical mean of the consumption cycles. But this individuality is different from what individuality has meant before.

The incarceration into a fixed room, between the rigid walls of a discipline, is increasingly being abolished. A procedure that Anders denotes as the invasion of media into the private sphere, and whose effect on the subject he described similarly to Deleuze's dividual: "The individual becomes a >divisum<. / Das Individuum wird zum Divisum"  The meaning intended was a scattering of the subject over several, partly phantomical, places. Deleuze suggests the no longer clear positioning in a social space or in a hierarchy by the help of a number. The numbers which are now attached to the >dividual< resp. which are specific for it open up access to spaces of information. These space can differ among the individuals but the spaces must not longer follow the simple structure of top and down. The access code may constitute complex interacting  levels of freedom of information.

What has been stressed here, once passively, then actively, always reflects a shift concerning the meaning of the division of space. This shift is also increasingly present in the core of the disciplinary society, i.e. the prison.  Virilio has his own ideas about Goffman's favourite theme, the total institutions. These thoughts lead towards mass-media: "The installation of television sets in prison cells, instead of only in common rooms as before, should have alarmed us. This decision, which has hardly been analyzed, represents a characteristic evolution of the customs of incarceration. Since the times of Bentham one used to identify the prison with the panopticon, in other words, with central surveilance, where the inmates are constantly observed by the wardens in whose permanent scope they live. 

Whereas today, prisoners can survey the events of the world (...) >To survey and to punish< belong together, as M.Foucault has found out. What kind of punishment could this apparent enlargement of freedom of the prisoners be, if not the typical punishment of advertisement: desire. Such was also the statement of a prisoner who had been asked his opinion concerning this change: >Television only  makes prison harder. You see everything that you miss, everything that you have no right to get.<"  Here, the prisoner quoted by Virilio seems to be subject to a widespread illusion: to think that everybody has a right to participate at the glamourous world of wealth and happiness that television presents as reality.

But should he live in freedom, i.e. probably in a block in an underdog ghetto, nothing would be different from his life in prison. The only possibility to take part at the glamour of high-society-style consumption which is constantly  celebrated on television would be robbery. But just this might have been what brought him into prison before. His lack of adaption is therefore not based on his illusionof having a right to participate, but rather in his lacking illusion to participate already. He does not accept pictures as reality, but perceives them as an offer of something that really exists (for him), neither of which is true. So far as that, he does not suffer from a fundamental deviation, but he rather lacks of fine adjustment  in his illusions and desires. Thus, it would probably be acceptable to survey him outside prison  by means of an  'electronic necklace'. This and other new means of control will transforme the character of society. The core technology of the information society is the computer. But new technologies will not only bring new possibilities of control, but also new way to "duck away from the eye of big brother",  and even new kinds of resistance. 

 

3.4. Computerization and Anti-Control-Movement 

The background of computerzitation is the crisis of trust in technology. In 1970 to 1980 there was a significant change of the belief in the beneficial effects of technology in Western Germany. The reasons were the increasing number of averages from Seveso to Harrisburg and a strong social movement as a lobby for ecology and environment. The uncontrolled development of economy and technology seemed to be more and more like the "mega-machine": A  cancer-like growing complex.

Computerzitation could be considered as a new core of the traditional industrial conquest of reality.  "Modern" is in the interpretation of  Jean-Francois Lyotard the consciousness of a lack of meaning accompanied by many activities. Modernity is the history of the "grand narratives" of emancipation (Age of Enlightenment) and opulence (colonialism, capitalism, industrialism). In Marxism these narratives were integrated  so it is not very surprising when the failure of modernity emerges first in the marxist contries. ("Like most postmodernists, Lyotard suspects Marxists of self aggrandizing motives.")  His hypotheses: These grand narratives are today no longer plausible for the most socities and haven't still the power of social, political and cultural integration.

The language is bursting asunder in heteronomous Sprachspiele (games of language, communication cultures) with own rules of communication, truths and world views.  In the Age of Enlightment scientific rationalism was the only way of rationalism, the only way to truth. In Lyotard's opinion this was a structurally wrong idea. The dream of "...a meta-language for all meanings is mixing up completly incompatible kinds of discourse and bears the monster of confused reason."  The increasing disintegration of the basic legitimations of modernity leads to some effort of integration. The most efficient power is the mega-machine itself: In the process of informatization/ computerization.

It is the rule of the "blind calculating reason of the capital" over all heteronomous Sprachspiele by one type of language: Capitalism is exploiting a new power of production -the language. Informatization is the infiltration of the whole society, the usurpation of all important symbolic exchanges.  Lyotard recommends a new style of using technology which is very similar to the practise of computerfreaks., e.g. on the Chaos Communication Congress 1990. Unifying effect of communication technology should be destroyed by using it in an avant-garde way. 

Lyotard (in unison with Chaos Computer Club) calls for free entry to all data bases, all information. The ideas of the postmodern philosopher become reality in some aspects of the computer-freak subculture:     the    free and responsible use of technology, the creative misuse of the mobilization infrastructure  (e.g. hacking the electronic networks, phonefreaking etc.) 

But the situation is more difficult:

First, the hackers (computer-freaks) "hacks" (inventions) may have an unintentional value,  - so his work could be grist to the mega-machine's mill.

Second, his  "hacks" may become criminalized by society  e.g. by new laws  against so-called "computer sabotage".

Third,  the hacker is more deeply involved in the information techniques than e.g.  the Greens are in nuclear power. He or she uses it more intensively than most of the engineers payed by IBM.

At last, there is the danger of a psychological submission of the subculture to the technological way of communicating and thinking.

A possible way  is mentioned in recent publications on (and of) the counterculture of the hackers: as an anti-control-movement they may have a similar function for the computer technology as the ecological movement for the nuclear power technology. The political utopia of this communication-ecology may be formulated, according to Foucault, as "Inverse Panopticon". In the next chapter this idea will be explained in the context of cyberspace.  The most important question is: "...how to deal with the media without becoming part of it?"

 

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